Usages de Foucault - Gebrauchsweisen von Michel Foucault
28.-30.11.24, Centre Marc Bloch Berlin
mit Christoph T. Burmeister (HU Berlin) & dem Centre Marc Bloch sowie dem World Congress Foucault
Call for Papers bis 15.3.24:
1984-2024: vor vierzig Jahren starb Michel Foucault. Wir nehmen dieses runde Todesjahr zum Anlass, um das Werk Michel Foucaults zu würdigen – ein Werk, das nach vielen Jahren des Zögerns auch in der deutschsprachigen sozial- und kulturwissenschaftlichen Theorie und Forschung in vieler Hinsicht prägend ist, vielleicht in einer Weise und in einem Ausmaß, wie sie für kein anderes Werk in dieser Breite zutreffen. Zugleich erleben wir in den Kulturkämpfen der Gegenwart politisch interessierte Verzerrungen auch dieses Autors, zuletzt zum Beispiel bei Susan Neiman (Neiman 2023).
Daher wenden wir uns den Usages de Foucault zu, Benutzungen von Foucault, wie ein französischer Sammelband von 2014 titelt (Oulc’hen 2014). Dieser stellt zwei einander entgegengesetzte Lektüren von Foucault gegenüber: die des Klassikers; und die eines Werkes, das in vieler Hinsicht transformiert, weitergeführt, auf andere Weise gedacht wird. Es geht hier um Arbeiten über, und um solche mit Foucault. Auch diese Tagung ließe sich, wäre sie französischsprachig, unter dem Titel Usages de Foucault fassen. Es geht uns um die Gebrauchsweisen von Foucault, und dies in mindestens dreierlei Hinsicht:
Erstens sind Beiträge über Michel Foucault willkommen, Einblicke in das Werk und seinen Autor, die sich auf veränderte Lektüren, übersehene Verbindungen, vernachlässigte Begriffe und/oder neue Publikationen beziehen können.
2023 erschien etwa die Vorlesung Le discours philosophique von 1966, 2022 die Vorlesung La question anthropologique von 1954/55 und 2021 die ebenfalls aus den 1950ern stammende Vorlesung Phénoménologie et Psychologie (alle bei Seuil).
Selbstverständlich können auch weitere Autor*innen und Werke, Reisen und Begegnungen ins Spiel gebracht werden, die Foucault zeitgenössisch sind und seine Perspektive in positiver wie negativer, affirmativer oder polemischer, direkter oder indirekter Weise erlaubt haben (auf französischer Seite denken wir neben Gilles Deleuze an Louis Althusser, Georges Canguilhem oder auch an Claude Lévi-Strauss, zu erwähnen sind ebenso die Stationen in Brasilien, die Vortragsreisen nach Japan oder die vermehrten Aufenthalte in Kalifornien, von Berkeley bis ins Death Valley).
Zu denken ist ebenso an Foucaults Methoden – etwa die kontrastiv vergleichende wie historisierende Methode und den (strukturalistischen) Begriff der »Transformation«, den Foucault ebenso verwendet, wie er für die strukturale Anthropologie zentral ist.
Zweitens wird es um Weiterführungen von Foucaults Theorievokabular, seiner analytischen Perspektive und seiner Methoden gehen: In welcher Hinsicht erlaubt sein Werk unsere gesellschaftliche Gegenwart zu verstehen – in seiner historisierenden, archäologischen wie genealogischen Perspektive auf neue respektive transformierte Wahrheitsspiele und Wissen, Machtverhältnisse und -technologien, Subjektivierungsweisen und Selbsttechniken – und inwiefern verlangt unsere gesellschaftliche Gegenwart in ihrem historischem Geworden-sein womöglich nach Neujustierungen der analytisch-begrifflichen Werkzeuge?
Zu fragen ist ferner, inwiefern sich mit Foucault ein heuristisch gewinnbringender Begriff von Gesellschaft entwerfen lässt (tatsächlich spricht Foucault häufig über Gesellschaft, anders als den Begriff der Macht theoretisiert er diesen jedoch (auf den ersten Blick) nicht weiter). Bezugnehmend auf Foucaults immer wieder aufgegriffene und weiterentwickelte Machttypologie anhand gesellschaftlicher Reaktionen auf Epidemien, namentlich Lepra und Pest, ist zudem in vergleichender Perspektive der gesellschaftliche Umgang mit dem Sars-Virus und/oder dem Coronavirus zu historisieren und analysieren und nach womöglich transformierten Machttechniken zu befragen.
Welche Klassifikationen und Prüfungen, welche Aus- und Einschlüsse lassen sich heute, auch in anderen Feldern wie etwa in den Migrationspolitiken, ausmachen – handelt es sich hier gar um einen anderen Machttyp als Recht, Disziplin und Sicherheit? Zu nennen wäre außerdem – als weitere wegweisende Denkfigur – der Begriff der Grenze, den Foucault in Wahnsinn und Gesellschaft einführt: die Grenzziehung, mit der eine Kultur oder Gesellschaft etwas zurückweist und in dieser Abweisung zugleich sich selbst definiert, sich eine »Dichte« oder »Positivität« gibt. Welche Grenzziehungen nach Innen (des ›Körpers der Gesellschaft‹ wie der ›Seelen der Individuen‹) und Außen (des (un-)werten Lebens sowie immer weiter vorgelagerten Grenzschutz- und Asylregime) verschaffen der gegenwärtigen Gesellschaft ihre Stabilität, ihr selbstverständlich Bedrohliches, Gefährliches und gewöhnlich Erstrebenwertes?
Drittens schließlich ist zu fragen, in welcher Weise und aus welchen Gründen heute polemische Gebrauchsweisen von Foucault auftreten: Aus welchen gesellschaftlichen Gründen und mit welchen Strategien wird gegenwärtig gegen das Werk und den Autor geschrieben, wie wird Foucault, vier Jahrzehnte nach seinem Tod, für welchen Theorie-Kampf benutzt? Welche verzerrenden oder gar diffamierenden Benutzungen Foucaults werden in den Kulturkämpfen der Gegenwart, etwa gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um Wokeness, in Stellung gebracht? Verkürzende, Foucaults Werk ins Lächerliche ziehende Lesarten finden sich zahlreich in den Sozialen Medien, Verunglimpfungen der Person Foucaults werden wiederum nicht selten aus (rechts-konservativen) Intellektuellenkreisen als Ressentiments gegen Homosexualität respektive Queerness vorgebracht.
Erwünscht sind Beitragsvorschläge, die den Gebrauchsweisen von Michel Foucault hinsichtlich einer der skizzierten Dimensionen oder deren Kombination nachgehen.
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Prof. Dr. Heike Delitz
Kollektiv- und Kulturwissenschaften
Landshuter Str. 4
93047 Regensburg
E-Mail: heike.delitz [at] ur.de
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Quelle: https://www.idigit.onl