
Idee
Émile
Durkheim, der große Autor der französischen Soziologie, ist
in der deutschen Soziologie sicherlich kontinuierlich präsent: er
ist einer der Klassiker des Faches, Stoff der Proseminare und
Einführungsveranstaltungen. Umso weniger scheint er aber genau
gelesen zu werden; umso weniger gibt es offenbar (programmatische)
Aktualisierungen und Revitalisierungen, umso weniger Monografien,
Sammelbände, Aufsätze. In Frankreich und in der
angloamerikanischen Soziologie sieht das anders aus: es gibt dort zum
Beispiel eine
neue Durkheim-Debatte, die insbesondere seinen Status als
‚Kollektivist’ und ‚Institutionalist’, als
Denker des sozialen Zwanges hinterfragt. Beides ist Anlass genug, einen
Durkheim-Workshop zu veranstalten – im Anschluss an die im
November 2008
stattgefundene Tagung zum politischen Durkheim am Centre Marc Bloch,
nun konzentriert auf den soziologischen Theoretiker Durkheim.
Der
Fokus wird auf der Verbindung von Ethnologie und Soziologie liegen:
Anders als die deutsche oder auch die amerikanische Soziologie zeichnet
sich diese
französische Schule der Soziologie in der Tat dadurch aus, dass
sie die
moderne Gesellschaft in Kontinuität und Kontrast mit nicht
modernen Gesellschaften zu erfassen suchte: die Soziologie sog begierig
die ethnologischen Forschungen auf, und machte im Gegenzug selbst
Angebote für die Theorienbildung. Zu nennen sind v.a. die Werke
von Robert Hertz, Henri Hubert, Marcel Mauss und von Durkheim selbst,
der mit den „Elementaren Formen des
religiösen Lebens“ (frz. 1912) eine Meisterstudie vorgelegt
hat. Dieses religionssoziologische Werk ist - ungeachtet der
berechtigten Detail-Kritik seitens der zeitgenössischen Ethnologie
-
sicher nicht veraltet, sondern es stellt eine reiche Fundgrube von
Ideen-Schätzen dar. Das gilt etwa für die Soziologie der
Klassifikationen, also für die französische
Wissenssoziologie, die im Werk von Claude Lévi-Strauss
aufgenommen wird; oder für die Idee einer sozialen Morphologie,
die Durkheim
- im Übrigen aus Anlass einer Konfrontation mit Georg Simmel -
erfindet und die dann bei Marcel Mauss (u.a. in dessen kongenialer,
soziologisch-ethnologischer
Eskimo-Studie) und Maurice Halbwachs entfaltet wird. Die
(natürlich auch kritisch zu stellende) Frage ist, welche
Aktualität dieser engen Verbindung zweier Wissenschaften heute
zukommen könnte, angesichts ihrer zeitgenössischen
Fruchtbarkeit.
Der Workshop gliedert sich in vier Themenblöcke, in denen es um
das Werk und die Rezeption Durkheims zwischen Ethnologie und Soziologie
geht; um die Kritik und Faszination seitens der Ethnologie (u.a. bei
von Arnold van Gennep und Claude Lévi-Strauss); um die aktuelle
Theorie-Debatte zwischen Amerika und Frankreich, die sich um die Frage
dreht, ob Durkheim - weit entfernt, der starke
Institutionen-Zwang-Denker zu sein - nicht doch auch eine starke
handlungstheoretische Komponente habe, die für Soziologie und
Ethnologie neu zu erschließen wäre; und um die
Revitalisierung zeitgenössischer Debatten, die verdeckte
Strömungen der französischen Soziologie und Ethnologie zu
Tage fördert, etwa Gabriel Tarde oder den Bergsonismus.
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Émile Durkheim -
Sociology & Ethnology
International Workshop
17th-19th of June, 2010
Humboldt University Berlin
Berlin/Germany
Luisenstr. 56 (Festsaal)
Download detailed program
Organisiert von/ organized by:
Tanja Bogusz, HU Berlin
Institut für Europäische Ethnologie
Heike Delitz
Otto Friedrich Universität Bamberg
Lehrstuhl für Soziologie II
In Kooperation mit/ in cooperation with:
René König Gesellschaft e.V.
Sektion Kultursoziologie der
Deutschen Gesellschaft für Soziologie
Centre Marc Bloch
Mit freundlicher Unterstützung von/ funded by:
René König Gesellschaft e.V.
German Sociological Association
Centre Marc Bloch Berlin
Kontakt/ contact:
tanja.bogusz [at] staff.hu-berlin.de
heike.delitz [at] uni-bamberg.de
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